Juni 2010

 

Als wir uns in Puno wegen der Höhenlage etwas akklimatisiert hatten, besuchten wir die schwim­menden Inseln von Uru sowie die Insel Taiquile. Es gibt über vierzig dieser im See verankerten 'islas flotantes'. Auf jeder dieser Inseln lebt eine Großfamilie, allerdings heutzutage ausschließlich für den Tourismus und ein Besuch dort mutet an wie in einem lebenden Museum. Da diese Inseln jedoch einmalig sind, haben wir diesen Tourismusrummel ebenfalls mitgemacht. Die Inseln be­stehen aus unzähligen Schichten von Schilf, das in großen Mengen am Titicacasee wächst. Das Schilf wird auf einer ca. 1m hohen Schicht aus Torf kreuzweise aufgelegt (ca. 2m hoch). Jedes Jahr nach der Regenzeit werden wieder neue Schichten aufgetragen.

 

Die Einwohner der anschließend besuchten Insel Taquine leben ebenfalls vielfach vom Tourismus. Es gibt daneben aber auch Ackerbau und Viehzucht. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig der Insel besteht in der Textilverarbeitung und Erzeugung. Angeblich haben sich bereits die Inkakönige hier ihre Kleidung anfertigen lassen, da die Inselbevölkerung hier die schönsten und feinsten Arbeiten herstellen konnten. Hier in Taquine gibt es auch die strickenden Männer. Einige davon haben sich fotowirksam den Touristen präsentiert. Ein weiteres Merkmal von Taquine ist, dass es auf der Insel keine Fahrzeuge gibt. Sämtliche Waren werden auf Schiffen hierhergebracht und werden über steile Stufen zu den 6 Orten der Insel hinaufgetragen.

 

In Puno ist es aufgrund der Höhenlage unmittelbar nach Sonnenuntergang wieder recht kalt und so freue ich mich auf AREQUIPA, unsere nächste Destination, wo es viel wärmer sein soll.

 

Rund um Arequipa ist die Landschaft immer wüstenähnlicher und wird von drei schneebedeckten Vulkanen umgeben, die alle so um die 6000m hoch sind. Der schönste davon ist der Vulkan Misti. Dank der Empfehlung von Helmut, mit dem wir die gemeinsame Taxifahrt nach Vilcabamba unter­nommen haben, haben wir ein Turmzimmer mit Terrasse von wo wir einen wunderschönen Aus­blick über die Stadt und die erwähnten Vulkane haben.

 

Nachdem wir nun schon einmal in der Nähe der Colcaschlucht, eine der tiefsten Schluchten der Welt waren, in der es noch Condore gibt, machten wir auch noch diesen kleinen Umweg und fuhren die wiederum atemberaubende Strecke nach Chivey und weiter nach Cabanaconde. Nachdem wir die Straße – unglaublich was sich hier alles Straße nennt- heil überstanden haben, landen wir in Cabanaconde, einem kleinen, netten Ort, hoch in den Bergen.

 

Wir erwanderten uns die Umgebung von Cabanaconde und kamen aus dem Fotografieren und Staunen nicht heraus. Der Höhepunkt war jedoch der Condor, der mit seinen riesigen Schwingen knapp – na ja ca. 10m – über unseren Köpfen hinwegzog. Wir haben beide heute noch das Ge­räusch, das seine Flügel in der Luft verursachten, in den Ohren. Somit ist wiederum ein Traum von Erich in Erfüllung gegangen: Einmal den Condor über den Anden zu beobachten.

 

Somit stand nun unserer Abreise aus Peru nichts mehr im Wege. Wir fuhren nochmals die gleiche berühmt berüchtigte Straße (zu diesem Zeitpunkt kannten wir noch nicht die Straßen in Bolivien!) zurück über Arequipa nach Puno. Dort nahmen wir endgültig Abschied von Peru und fuhren die kurze Strecke hinüber nach Bolivien. Die am Titicacasee gelegene Touristenstadt Copacabana war unser erster Halt. Auf dem Weg dorthin beobachteten wir die Bauern bei ihrer Feldarbeit, die aus­schließlich händisch erfolgt. Wir sahen so gut wie keine Traktoren oder sonstigen Maschinen, die bei der Feldarbeit benutzt wurden. Als Transportmittel dienen Mulis oder Esel. Für uns Mittel­europäer unglaublich. Wie bei uns in einer Zeit, die wir selbst noch gar nicht erlebten.

 

Copacabana macht auf den ersten Blick einen netten und sauberen Eindruck. Erst als wir eine Wan­derung auf den Calvarienberg unternahmen und diesen dann auf der Rückseite querfeldein hinun­terstiegen, wurden wir mit der für uns unvorstellbaren Müll.- und Drecksituation in Bolivien kon­frontiert. Die Menschen haben überhaupt kein Umweltbewusstsein und auch keinen Sinn dafür, dass sie es sich wenigstens in ihrer unmittelbaren Umgebung um ihre Wohnungen etwas sauber machen. Es wird hauptsächlich – so hat man den Eindruck – nur für uns Touristen etwas Sauberkeit aufrechterhalten. Aber eben nur dort, wo man annimmt, dass sich Touristen aufhalten.

 

Der Grund warum wir hier in Copacabana Halt gemacht haben, war der Besuch der Insel La Sol. Auf dieser Insel soll der erste Inkakönig geboren worden sein. Das Boot setzte uns im Norden der Insel ab, von wo aus uns ein Weg hinauf zum Sonnentempel führte. Weiter geht es über einen gut ausgebauten Wanderweg, entlang des Bergkammes bis in die Südbucht. wo uns das Schiff wieder­um aufnehmen würde. Da bis zur Abfahrt des Schiffes nur 4 Stunden zur Verfügung stehen, muss man sich etwas beeilen. Dies steht aber wiederum in Widerspruch zu den 4000 Höhenmetern, wo man sich bekanntlich nur langsam bewegen soll. Wir haben den Widerspruch jedoch gut gemeistert und sind pünktlich zur Abfahrt am Steg angelangt.

 

Mittlerweile haben wir den 11.06. als wir in der Hauptstadt von Bolivien, La Paz eintreffen. Man erreicht die Stadt durch eine öde Hochebene und plötzlich öffnet sich ein Canyon, an dessen Ab­hänge sich die Häuser bis nach unten schmiegen. Man hat den Eindruck der ganze Hang besteht aus Häusern, eins auf dem anderen. Die Hauptstraße führt unten am Graben entlang. Das führt dazu, dass man sich kaum in dieser quirligen Stadt verirren kann: man geht einfach immer nur bergab bis man wieder auf die Hauptstraße kommt.

 

Das pulsierende Leben dieser Stadt spielt sich hauptsächlich in den Straßen rund um die Kathedrale ab. Jeder versucht jedem etwas zu verkaufen. Vor den Geschäften sind fast durchgehend nochmals Buden aufgebaut, die weit in die Gehsteige hineinreichen. Dazwischen gibt es immer wieder Ver­kaufsstände, wo Waren jeglicher Art auf einer ausgebreiteten Decke dargeboten werden. Die zahl­reichen Fußgänger weichen dann auf die schmalen, überfüllten Straßen aus. Es herrscht hier das perfekte Chaos.

 

La Paz liegt ganz in der Nähe der bekannten Todesstraße 'Camino de la muerte', die angeblich ge­fährlichste Straße der Welt. Es gibt eine Reihe von Veranstaltern, die eine downhill Radtour auf dieser Strecke anbieten. Nachdem wir schon einmal da sind, warum nicht? Früh am morgen fährt man mit einem Minibus auf eine Höhe von 4.700m, am Dachträger die Fahrräder. Zunächst geht es eine gut asphaltierte (!) Straße rund 26km bergab. Herrlich! Man kann sogar zwischendurch die wunderschöne Aussicht genießen. Dieser Teil der Strecke ist rasch überwunden. Als nächstes kom­men wir dann zur eigentlichen Todesstaße. Sie ist leider nicht mehr asphaltiert, besteht aus Sand, grobem Schotter und frischer Erde und ist 39km lang. Die Straße ist an ihren engsten Stellen 3,20m breit und stürzt seitlich bis zu 600m hinab. Wir werden von unserem Guide instruiert stets links zu fahren, d.h. am Rande des Abgrundes. Dies deshalb, da die zweispurigen Fahrzeuge ihren Führer­stand auf der linken Seite haben, können die Fahrer den Rand der Straße so besser im Auge behal­ten. Linksverkehr gilt hier also für alle, nicht nur für uns Radler.

 

Und dann ging es los. Eine holprige Fahrt voll Konzentration aber ein irrsinnig tolles Gefühl. Wir überwinden insgesamt 3600 Höhenmeter und machten viele Stopps, um auch die Landschaft zu ge­nießen und Fotos zu schießen.

 

Hier auf 1.200m ist es wieder schön warm und es gibt jede Menge Moskitos, die diesmal besonders auf Erich scharf sind. Er verzeichnete innerhalb kürzester Zeit weit über 100 Stiche. Da nützt es auch nichts, dass wir wieder einige Höhenmeter gut machen und nach Coroica hinauffahren.

 

Coroico ist ein kleiner aber sehr netter Ort mit wunderschönen Plätzen, um ins Tal und die sich auf der gegenüberliegenden Hangseite schlängelnde Todesstraße zu schauen.

 

Nachdem wir jetzt schon das Wandern gewohnt sind, machen wir uns von hier aus auf eine span­nende Dschungelwanderung. Zunächst geht es immer bergab bis zum Bach durch Mandarinen.- und Orangenhaine, deren frisch gepflückten Früchte herrlich schmecken. Am Bach angekommen, ver­lieren wir den Weg und beschließen keinesfalls bei der Hitze wieder bergauf zu gehen. Dann schon lieber den Bach entlang. Das war aber nun doch nicht so einfach, da der Weg am Ufer immer wie­der durch Felsen versperrt war. So mussten wir zig-Male den Bach queren, der teilweise doch eine starke Strömung hatte. Nach ca. 2 Stunden hörten wir Straßenlärm und treffen gleich darauf, direkt am Bach gelegen, auf ein Restaurant. Es gibt doch eine höhere Macht!

 

Am 16.06. machen wir die zunächst beunruhigende Feststellung als wir mit dem hier üblichen altersschwachen voll besetzten Reisebus nach Trinidad unterwegs sind, dass es hier mehrere solcher 'Todesstraßen' gibt. Über weite Strecken steht diese Straße der von uns mit dem Rad befahrenen Straße um nichts nach. Auch der Linksverkehr ist hier wieder aktuell. Schließlich kommen wir wieder auf die Ebene im Urwald.

 

In San Borja müssen wir eine Nacht verbringen, in der es stark geregnet hat, um am nächsten Tag Anschluss nach Trinidad zu erhalten. Mittlerweile waren die Straßen sehr matschig und so kam es, dass unser Bus von der Straße abgerutscht und im Schlamm stecken geblieben ist. Aber mit einigem Schaufeln des Buspersonals und schließlich dem Anschieben der Passagiere sind wir wieder frei ge­kommen. Wir fuhren teilweise durch Dschungelgebiet, größtenteils gab es jedoch gerodete Flächen, auf denen hauptsächlich Buckelrinder grasten.

 

Ursprünglich sollte es für uns von Trinidad über Santa Cruz weiter nach Sucre gehen. Da Erich jedoch in unserem Reiseführer darauf gestoßen ist, dass nicht weit von hier man auf den Spuren von Che Guevara (Erich ist seit langem ein Fan von Che) wandeln könne, mussten wir natürlich unsere Pläne ändern, um zu 'wandeln'. Als Ausgangspunkt schlug man Samaipata vor, von wo aus man nach Vallegrande fährt und weiter dann durch dichten Dschungel zum Che Denkmal.

 

Samaipata liegt etwas höher wie Trinidad, hat aber noch ein angenehmes Klima und mit schöner Natur und ist deshalb nicht nur bei den Reichen Boliviens beliebt, die sich dort ihre wunderschönen Villen und Sommerhäuser bauen, sondern auch wir genießen es.

 

In Vallegrande ist es dann jedoch mit der Spurensuche für uns beendet. Die Weiterfahrt wäre nur noch mit Taxis möglich, die sich den Dienst für hiesige Verhältnisse außerordentlich hoch bezahlen lassen. So weit geht denn die Verehrung des Herrn Che doch nicht und wir begnügten uns mit dem ausführlich bebilderten und beschriebenen Che Museum und reisten weiter nach Sucre.

 

Als nächsten Abstecher nehmen wir uns Potosi vor. Potosi liegt auf 4050 und ist somit die höchst gelegene Stadt der Welt. Die Stadt ist umgeben von Bergen, die in vielen Farben schillern aufgrund ihrer unterschiedlichen Erzvorkommen. Bei Einfahrt in die Stadt fallen zunächst die vielen Bau­stellen auf. Kein einziges der vielen Häuser ist fertiggestellt. Es stehen alle im Rohbau. Das Zentrum ist sehr nett. Es gibt viele kleine Gässchen und man bemüht sich um Sauberkeit.

 

Potosi war einstmals die reichste Stadt Südamerikas aufgrund ihres Silbervorkommens. Es wurde in der Zeit der Spanier fast reines Silber zu Tage befördert. Dabei setzten die Spanier Sklaven aus Süd­amerika und als diese 'verschlissen' waren auch aus Afrika ein. Durch die unmenschlichen und harten Arbeitsbedingungen gingen dabei Millionen Sklaven zu Grunde.

 

Die Silbervorkommen sind fast erschöpft, es werden aber auch heute noch unter ebenso schwierigen und gefährlichen Bedingungen verschiedene Erze abgebaut. Man kann als Tourist diese Minen be­sichtigen. Aber selbst diese Besichtigung, die ungefähr 2 Stunden dauert, verlangt einem bereits sehr viel ab. In der Mine herrschen sehr hohe Temperaturen, teilweise kommt man nur kriechend vorwärts und allgegenwärtig unglaubliche Staubwolken. Man gewinnt jedenfalls einen unvergess­lichen Eindruck von den Strapazen, die die Arbeiter auf sich nehmen. Als Jause gibt es jede Menge Cocablätter. Als Gastgeschenk für die Mineros bringen die Touris daher Cocablätter, Getränke und Dynamitstangen, die man frei kaufen kann, mit. Von uns beiden hat diese Tour nur Erich mitge­macht. Da ich leicht klaustrophobisch veranlagt bin, hätte ich eine Teilnahme niemals in Erwägung gezogen.

 

Ich bin froh, dass wir nun endlich wieder von dieser Höhenlage fahren, als wir nach Tupiza auf­brechen. Tupiza die Stadt im 'Wilden Westen'.