Februar 2010 

 

Ende Januar setzen wir unsere Reise nordwärts durch die chilenischen Kanäle, nunmehr mit geschrumpfter Crew, fort. Günter aus Deutschland ist noch immer mit von der Partie.

 

Bevor wir in die fast menschenleere Region dieses Teiles Feuerlands und Patagoniens eintauchen, haben wir noch Gelegenheit den E i s b r e c h e r 'Oscar Viel' von der chilenischen Marine zu besichtigen und erhalten zusammen mit der Crew des Segelschiffes Ocean Watch eine informative und interessante Führung. Dieser Eisbrecher wird u.a. als Versorgungs.- und Rettungsschiff in der Antarktis eingesetzt und ist gerade zu einem kurzen Zwischenstopp in Puerto Williams.

 

Das Schiff ist 90 m lang, hat u.a. 2 Hubschrauber an Bord, mehrere starke Beiboote, einen komplett eingerichteten Operationsraum, 6 12-zylindrige Motoren, 2 riesige Generatoren etc. Wir durften, obwohl es sich um eine militärische Anlage handelt, wirklich überall hinein (bis auf die Kapitänskabine) und auch fotografieren.

 

Unsere Fahrt durch die Kanäle startete durch den uns bereits bekannten Kanal Brazo Noroeste, entlang einiger wunderschöner Gletscher und herrlicher Buchten wie zB Caleta Ferrari oder Caleta Olla.

 

Bis zu unserem vorläufigen Ziel Puerto Montt haben wir zahlreiche Buchten und Häfen angelaufen, wobei ein Ankerplatz schöner war als der andere. Mir persönlich fallen dabei u.a. die an den gesamten Uferböschungen wachsenden wilden Fuchsien ein, deren rot-violette Blüten schon von weitem leuchten. Als Baumfan kann ich mich hier sowieso nicht satt sehen und habe schon viele entsprechende Fotos gemacht.

 

Als besonderes Erlebnis möchte ich den B e s u c h a u f einem F i s c h e r b o o t, an dem wir in der Bucht Emelita längsseits gegangen sind, erwähnen. Der Fischer hat sein Boot mit dem Bug direkt an das Steilufer gefahren und dort bei der an Land fix montierten Leine festgemacht. Das Boot ist mit einem Tauchkompressor mit Luftschläuchen ausgestattet, mit welchem die beiden mitfahrenden Taucher bis zu 40m runtertauchen, um dort Seespinnen und Königskrabben einzusammeln. Sie benutzen dabei einen 12 mm dicken Naßtauchanzug. Ein sehr harter Job, bedenkt man bei welcher Wassertemperatur diese Arbeit erfolgt. Es wird so lange getaucht, bis das Schiff voll beladen ist, man rechnet damit, dass dies bis zu 3 Wochen dauern kann. Im Schiffsinneren ist es sehr warm mittels eines Gasofens.

 

Die nächste Begegnung mit Menschen hatten wir dann eine Woche später auf der Insel F a i r w a y, wo sich eine bewohnte Armadastation mit L e u c h t t u r m befinden. Auf dieser kleinen Insel, die sich von der Magellanstraße kommend am Anfang des Smythkanals befindet, lebt eine sehr nette junge Familie mit einem 7jährigen Sohn. Der Vater ist Marineangehöriger und beaufsichtigt diesen Teil der Kanäle, wobei er eine große Funkstation zu überwachen hat, bei der sich die vorbeifahrenden Schiffe melden müssen. Seine Dienstzeit fängt um 6.00 Uhr morgens an und endet um 24.00 Uhr. Wobei die Frequenz der vorbeifahrenden Schiffe sicherlich ein Nickerchen zwischendurch erlaubt. Er ist auch gleichzeitig der Lehrer seines Sohnes. Die Familie verbringt insgesamt ein Jahr auf dieser Insel und wird dann wiederum abgelöst. Sie werden von Puerto Natales aus mit dem Schiff versorgt. Notfalls kann auch ein Hubschrauber auf der Insel landen, die nötigen Anlagen dazu sind vorhanden. Sie haben auch Internetverbindung sowie ein Satellitentelefon und eine Sat-Anlage zum Fernsehen.

 

Ein Anlanden an der Insel ist nur bei ruhiger See möglich. Wir hatten das Glück, dass gerade zum Zeitpunkt unseres Passierens das Meer spiegelglatt und windstill war. Wir luden die Familie noch zu einem Gegenbesuch auf der Delphin ein und waren sie davon dermaßen begeistert, da sie bisher noch nie Gelegenheit hatten, eine vorbeiziehende Yacht von Innen zu besichtigen.

 

Als weiteren Höhepunkt dieser Reise durch die Kanäle war der Besuch des mächtigen G l e t s c h e r s P i o  X I, nahe Puerto Edén. Bergsteigbegeisterten werden die dahinter mächtig ruhenden Berge Mount Piramide und Mount Fitzroy (beide über 3000m) ein Begriff sein.

 

An diesen Gletscher konnten wir ganz nahe ranfahren. Jedoch wenn man glaubt, dass man hier in absoluter Einsamkeit auch auf absolute Stille trifft, hat man sich gehörig getäuscht: Die Gletscher arbeiten fortwährend. Schon von weitem hört man ein Donnergrollen aus dem Inneren der Gletscher, weiters ständiges Krachen und Knistern durch das permanente Arbeiten der Gletscher. Ist man dann ganz nah, kann man deutlich ein Zischen hören, verursacht durch das Freisetzen von Sauerstoff durch auftauende Eisstücke.

 

Spätestens als wir in der Ferne – Pio XI fließt mit einer Breite von ca. 3,5 km ins Meer - einen riesigen Eisbrocken aus dem Gletscher abbrechen und ins Meer stürzen sehen, haben wir unseren Respektabstand vergrößert. Innerhalb kürzester Zeit konnten wir noch mehrere dieser gewaltigen Spektakel beobachten. Die anschließenden 'Flutwellen' haben uns mächtig geschüttelt.

 

Die Fahrt durch die Kanäle war geprägt durch das w e c h s e l h a f t e, sehr oft regnerische W e t t e r. Wir hatten auch leichten Schneefall sowie Hagel,- und Graupelschauer. Es gab aber auch als Belohnung für unsere Mühen herrliche Sonnentage und -.Stunden. Die Windverhältnisse waren von Flaute über Leichtwind bis Starkwind mit Sturmböen bis 50 kn. Bevorzugte Windrichtung: gegenan. Die meiste Zeit mussten wir unter Motor fahren jedoch teilweise war auch schönes Segeln möglich.

 

Die oft als kritisch angesehene Passage über den Pazifik, G o l f o d e P e n a s, konnten wir bei zunächst Flaute später achterlichem Wind mit 20 bis 30 kn in einer Nachtfahrt gut hinter uns bringen. Einzig die hohen ebenfalls achterlichen Wellen verursachten ein unangenehmes starkes Rollen, woran wir uns erst wieder gewöhnen mussten. Der Spuk war jedoch am übernächsten Tag bei Erreichen des Canal Darwin vorbei. Vorbei war es auch ungefähr von hier ab mit dem vielen Regen. Wir hatten wiederum wesentlich mehr Sonnenstunden und entsprechend Wärme.

 

Ab hier stießen wir auch immer öfter auf Menschen und deren Werke. So zB befinden sich ab Canal Darwin unzählige L a c h s z u c h t e n und M u s c h e l f a r m e n. Entlang der gesamten Küste, in den Buchten sowieso, bis hinauf nach Puerto Montt. Dementsprechend viele Seevögel gibt es hier. Erich meinte, bei so vielen Vögeln, ist es kein Wunder, dass man so viele Fische züchten muss, um die Vögel satt zu bekommen. Ob das der Grund für diese riesigen Anlagen ist, na ja ich weiß nicht!

 

Aufgefallen ist auch, dass viele der Fischfarmen still gelegt zu sein schienen. Später in einem hiesigen Zeitungsbericht habe ich gelesen, dass auf den Fischfarmen ein Virus (ISA) aufgetreten ist, der das Schließen notwendig machte, wodurch zehntausende von Arbeitsplätzen direkt oder

indirekt verloren gingen.

 

In dieser einsamen Region der letzten 4 Wochen hatten wir jedoch stets Begleitung von vielen, vielen Tieren. Den Großteil davon machten die Tausende von Vögeln aus, wovon ich besonders die vereinzelten Condore über den Cordillieren, die Eisvögel, Kormorane (schwarze sowie weiß-schwarze Exemplare) und Schwarzhals Schwäne hervorheben möchte. Weiters sahen wir B u c k e l w a l e langsam vorbeiziehen sowie im ausgelassenen Spiel (wahrscheinlich eher Rivalitätsgebaren), 2 große B l a u w a l e (ganz nah, sodass wir sie atmen hören konnten), unzählige Pinguine, Seehunde und Seelöwen und natürlich auch viele Delphine, die sich gerne in unserer Bugwelle spielten.

 

Gleich in der ersten größeren Stadt, die wir nach unserem freiwilligen Exil anliefen, und zwar Quéllon im Südwesten von Chiloé, hatten wir - erstmals auf dieser gesamten Reise - unliebsame Begegnung mit der Zivilisation: unser A u ß e n b o r d e r wurde vom Dingi g e s t o h l e n, als wir beim Abendessen an Land waren. Trotz vorsichtshalber abgeschlossenem Motor wurde das gesamte Dingi kurzerhand entwendet. Am nächsten Tag tauchte zumindest das Boot wieder auf, der Motor blieb leider verschwunden. Trotzdem konnten wir die gegenüber von Quéllon auf dem Festland Chiles sichtbaren weißen Schneeberge und Vulkane (u.a. Vulkan Corcovado) im Lichte der roten Sonnenuntergänge bei einem Glas Rotwein genießen. Also uns geht es auch hier sehr gut!

 

Die große Insel Chiloé, die an der Westküste stark besiedelt ist, hat jedoch durch einen Tidenhub von 6 bis 8 m und entsprechendem Tidenstrom ihre eigenen Navigationsgesetze. Wir mussten dies in einem Fall auch zur Kenntnis nehmen, als unser bestens eingefahrener Anker bei ca. 3 bis 4 kn. Strom nach dem Kippen desselben auf einmal zu slippen begonnen hatte. Aber alles ist gut ausgegangen.

 

Am 27.02.2010, 03.34 Uhr, Ortszeit fand in Chile ca. 230 km südwestlich von der Hauptstadt Santiago ein Erdbeben der Stärke 8,8 auf der Richterskala statt. Wir waren zu diesem Zeitpunkt etwa 800km südlicher, in Castro auf Chiloé auf unserem Schiff. Wir wurden von diesem schrecklichen Ereignis, das zusammen mit dem anschließend stattgefundenen Tsunami ca. 500 Menschenleben (Stand vom 07.03.2010) gefordert hat, erst am nächsten Tag beim Besuch in einem Restaurant aufmerksam. Die beiden größten Städte Santiago und Concepción sind sehr schwer betroffen und stark beschädigt. Vieles an Infrastruktur, Straßen etc. wurde zerstört. Nachdem wir uns für die nächsten Wochen vorgenommen hatten, uns Chile näher anzusehen, müssen wir erst sehen wie dies in dieser Situation möglich ist.

 

Für alle, die sich hier auskennen, ;-) oder unseren Spuren folgen wollen, untenstehend eine Liste der von uns angelaufenen Buchten und Häfen:

 

  • Caleta Emelita (längsseits Fischerboot Greisis Nicol)

  • Caleta Rana

  • Caleta Brecknock (leichter Schneefall)

  • Caleta Caranca

  • Caleta Mussel (Buckelwale)

  • Bahia Playa Parda (Delphine)

  • Caleta Teokita zuvor Besuch auf Faro Fairway

  • Bahia Isthmus

  • Caleta Columbine

  • Caleta Thélème

  • Caleta Damien

  • Caleta Paroquet

  • Caleta Nassibal

  • Caleta Sally (Gletscher Pio XI)

  • Caleta Grau

  • Puerto Edén (2 Nachtfahren über Golfo de Penas bis Canal Darwin)

  • Caleta Esteban (bewohnte Fischerbucht)

  • Puerto Aguirre

  • Seno Venas Abiertas

  • Quéllon (Isla Chiloé) (Diebstahl vom Außenborder)

  • Caleta Pailad

  • Castro Hauptstadt von Chiloé (Pfahlbauten)

  • Dalcahue (Heurigen Gastgsarten)

  • Mechuque (herrliches Lamm am Spieß)

  • Puerto Huite (Blauwale)

  • Calbuco (großer Fischerhafen)

  • Puerto Montt (Marina Oxxean).

 

Für März vorweg nehmen möchte ich unsere Ankunft in Puerto Montt am 04.03.2010, wo wir dann einige Wochen mit dem Schiff bleiben werden.