September 2014
Wie bereits im Vormonat angekündigt, konnten wir Ende August unseren Freund Ernst aus der BRD in Wrangell auf der Delphin begrüßen. Er kam mit einem Fährschiff von Anchorage über Ketchikan nach Wrangell auf dem sogenannten Marine Highway. Unsere gemeinsame Reise sollte bis Vancouver, Canada, führen.
Wir hatten keine Zeit zu verlieren, so erledigten wir am nächsten Tag den Einkauf für die nächsten Wochen gleichzeitig mit der Ortsbesichtigung von Wrangell, wo es ja nicht sehr viel zu sehen gibt. Erwähnenswert sind die Totems der indianischen Ureinwohner, dem Stamm der Tilgits. Diese Totems haben weder religiösen Hintergrund, noch sind sie Marterpfahle. Totems erzählen eine Familiengeschichte oder dokumentieren ein bestimmtes Ereignis.
Unser erstes Ziel nach unserer endgültigen Abreise von Wrangell war das nahe gelegene Anan Wildlife Observatory. Man hatte an einem Flußlauf, zu welchem jährlich Millionen von Lachse kommen um abzulaichen und dadurch wiederum verschiedene Bären angelockt werden, einen Weg sowie einen Beobachtungsposten gebaut. Der Ankerplatz in der Anan Bay ist zumeist sehr tief und steil ansteigend. Wir haben daher für eine gute Nachtruhe in der Nachbarbucht geankert.
Am nächsten Morgen bei Nieselregen machten wir uns auf den Weg zur Anan Bay und den Bären. Zunächst sahen wir jedoch einige Seehunde, die uns neugierig beobachteten. Auf dem gut ca. 20 minütigem Weg zum Beobachtungsposten sahen wir Tausende von Seevögeln, u.a. auch die Weißkopfseeadler, die sich ihren Anteil an den Fischen holten. Der Gestank der Fischleichen ist dennoch unverkennbar.
Am Beobachtungsposten angekommen sahen wir … nein keine Bären, aber jede Menge Touristen (ca. 10 Personen). Der Fremdenführer erzählte uns, dass sie heute bereits eine Bärensichtung hatten, jetzt jedoch die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass noch ein Bär auftauchen würde. Dies hänge, so meinte er, mit Ebbe und Flut zusammen. Das große Fressen würde eher bei Flut stattfinden. Also begnügten wir uns, mit dem Beobachten der die Stromschnellen hinauf springenden Lachse. Dieses war jedoch bereits ein Erlebnis für sich. Fast unglaublich wie sich diese Fische mit größter Kraftanstrengung in die Höhe gegen den Strom katapultieren.
Am späteren Nachmittag versuchten wir nochmals unser Glück mit den Bären. Und siehe da: Beim zweiten Besuch und dem Abwarten von einigen Minuten erschien plötzlich ein Schwarzbär zwischen den Felsblöcken. Ein tolles Erlebnis. Nur durch einen schmalen Fluss getrennt, konnten wir ihn gut beobachten. Erstaunlich wie geschickt er beim Fischfangen und auch beim Klettern über die glitschigen großen Felsbrocken war. Seine doch erhebliche Masse war ihm dabei nicht im geringsten hinderlich. Nachdem der Bär sich voll gefressen und wir uns satt gesehen hatten, ging wiederum jeder seinen Weg.
Die weitere Fahrt führte uns nach Süden durch den Ernest Sound – dieser hatte seinen Namen schon bevor wir mit Ernst dort waren. Wie bereits der ganze Weg von Wrangell, war das Land rechts und links der Kanäle bis auf das Wasser hinunter dicht mit Tannenbäumen bewaldet. Die Uferränder waren gesäumt mit teilweise meterhohen angeschwemmten Baumstämmen, Ästen und Wurzeln. In MeyersChuk, einem sehr kleinen, rundum geschützten Ort, machten wir einen Übernachtungsstopp. Am Steg beobachteten wir einen Einheimischen, der einen gerade erst gefangenen herrlich roten Lachs filetierte. Er fragte uns nach der Personenzahl auf unserem Schiff und überließ uns drei dieser köstlichen Filets. Dies passierte uns dann später noch öfter und wir stellten zum wiederholten Male fest, wie freundlich die Menschen hier in Alaska, dem rauen, wilden Land sind.
Unsere weitere Route ging durch den Behmkanal, vorbei an gewaltigen Kahlschlägen. Die Holzwirtschaft boomt hier nach wie vor. Den Umweg durch den Behm Canal nahmen wir in Kauf, da uns dort das Misty Fjord National Monument erwartete. Dieser Name ist irreführend, da es sich beim 'Monument' nicht um ein solches handelt, sondern vielmehr um eine Landschaft mit steil aufragenden Felswänden. Der Namensteil 'Misty' bezieht sich auf den hier fast ständig vorhandenen Dunst. Wir suchten uns täglich einen neuen Ankerplatz im Behmcanal und fanden einen so schön wie den anderen - Helm Bay, Fitzgibbon Cove, Walker Cove, Upper Arm.
Helm Bay: Hier lagen wir an einem sicheren Steg zum Festmachen, jedoch ohne Landanbindung.
Fitzgibbon Cove: spiegelglattes Wasser mit faszinierenden Uferspiegelungen,
Walker Cove: ebenso spektakulär wie Milford Sound in Neuseeland mit vielen, vielen Wasserfällen und steilen Granitwänden,
Upper Arm: Ankern in 5m Tiefe, sitzen aber gegen Morgen bei Ebbe auf, aber kein Problem mit unserem Twinkieler, dennoch 20° Neigung durch unebenen Boden.
Am nächsten Tag hatten wir wiederum spiegelglattes Wasser und sahen in der Ferne einige Flossen von Orcas. Am Abend gab es einen wunderschönen Sonnenuntergang.
Die Grenze zwischen Canada und USA überschritten wir bei dichtem Neben. Dieser hielt den ganzen Tag an. Erst als wir in die Inselwelt vor Prince Rupert ankamen, lichtete sich der Nebel.
Auf Anfrage bei der Coast Guard wurden wir an den Einklarierungssteg verwiesen, wo wir telefonisch mit den Zöllnern Kontakt aufnahmen. Bald darauf bekamen wir Besuch von zwei Beamten, die ihre Aufgabe sehr ernst nahmen und uns gründlich befragten und auch das Schiff genau durchsuchten. Das Ergebnis war, dass sie uns zwei Pfeffersprays abnahmen. Diese, so wurden wir belehrt, gelten in Canada als Waffe und sind somit verboten. Weiters klärten sie uns auf, dass diese nun ins Eigentum der Queen of England übergehen würden, die sie dann zur Vernichtung weiterleiten würde.
Ich überlegte kurz, ob ich ihr mitteilen sollte, dass diese 'Waffen' vermutlich bereits wirkungslos seien, da sie bereits 6 Jahre alt und somit wahrscheinlich bereits verklebt seien. Diese Gedanken wurden unterbrochen von einem wilden Gehupe eines 30m langen Segelbootes. Da wir auf das Hupen nicht reagierten, machte der Segler sich bereit, uns zu rammen und zielte mit seinem Bug genau auf unser Schiffchen. Dies wurde aber dem Zollbeamten dann zu viel und zornig stürzte er an Deck und forderte den Rowdy auf, sofort abzudrehen und zu warten, bis er mit seiner Arbeit auf unserem Schiff fertig sei. Der Unhold reagierte nicht sofort und so musste der Zöllner noch deutlicher werden und schickte ihn mit einem kanadischen 'schleichts eich' weg. Infolge war die Einklarierung für uns unkompliziert und wurde von den uns gegenüber stets freundlichen Beamten in 5 Minuten erledigt.
Schließlich sah der Segler ein, dass es nun besser sei, zu verschwinden und überhaupt in einem anderen Hafen einzuklarieren. Uns ist eine derartige – sagen wir – Unhöflichkeit noch nie zuvor untergekommen. Das Boot war in einem der steuerfreien oder .-günstigen Inseln – Bikini Island – registriert.
In Prince Rupert war es am nächsten Tag regnerisch. Später erfuhren wir, dass dieser Ort in Canada den meisten Niederschlag zu verzeichnen hat. Der Ort ist nicht besonders sehenswert. Es gibt aber ein schönes Museum und gute Verpflegungsmöglichkeiten. Hier bekamen wir von Fischern Heilbuttfilets; einfach köstlich.
Am 08.09., nach 2 Tagen, verließen wir Prince Rupert, weiter Richtung Süden. Seit langem konnten wir erstmals wiederum Segeln, auch die Sonne schien an diesem Tag. Wir entschieden uns, die Kanäle zu verlassen und hinaus durch die Hecate Strait zu segeln. Bei der Ausfahrt durch die Beaver Passage sahen wir noch einen Wal. Hart am Wind ging es am Nordpunkt von der Larsen Island vorbei. Es gab hier viele Wirbel und Wind mit 25kn Stärke. Außerhalb beruhigte sich die See und wir fielen auf unseren Südkurs ab. Wir hatten super Wind von achteraus und konnten Schmetterling segeln bis kurz vor Mitternacht. Die anschließende kurze Flaute überwanden wir mit 1 ½ Motorstunden bei einer sternklaren Vollmondnacht. Später waren wieder Wind und Strom auf unserer Seite.
Um 07.00 Uhr gab es einen wunderschönen Sonnenaufgang. Im Laufe des Vormittags verfingen sich zwei riesige Kelpstauden im Propeller. Diese waren leicht zu entfernen. Immer wieder mussten wir diesen schwimmenden Schlangen ausweichen, ebenso erforderten die vielen treibenden dicken Baumstämme ein Slalom-Segeln. Wir konnten in der darauf folgenden Nacht durchsegeln bis in die frühen Morgenstunden. Im Queen Charlotte Sound war es wolkenlos und traumhaft schön.
Am 10.09. kamen wir am späten Nachmittag in Port Hardy, an der nördlichen Spitze von Vancouver Islands, an. Wiederum gab es freundliche Fischer, die uns Fischfilets schenkten.
Von Port Hardy aus fuhren wir durch die Johnston Strait. Dort sahen wir eine der größten Delphinschulen, die wir auf dieser Reise bis jetzt zu Gesicht bekommen hatten. Es war unglaublich: Wohin wir auch blickten, sprangen Dutzende von Delphinen. Später zog dann noch ein Schiff mit zwei kompletten Häusern im Schlepptau an uns vorbei.
An jenem Abend ankerten wir in der Open Cove, die wir zum Sonnenuntergang erreichten. Während wir unseren Sundowner genossen, sahen wir plötzlich einen Schwarzbär am Strand, der mit einer Leichtigkeit die großen Felsbrocken umdrehte, um darunter befindliche Muscheln zu suchen.
Die Nächte waren schon teilweise sehr kalt so um die 10°, dafür strahlender Sonnenschein und warme Temperaturen tagsüber. Vancouver Islands ist im Gegensatz zu unserer nördlicheren Strecke relativ dicht besiedelt. Als nächste Ankerbucht hatten wir uns die Menzien Bay auserwählt. Durch die starken Tidenströme, die sich aus den engen Wasserrinnen ergeben, erlebten wir bei der Einfahrt in diese Bucht einige starke Strudel und wurden mit einer Geschwindigkeit von 12kn in die Bay gespült. Mit den beiden Motoren schafften wir es aber, auf dem rechten Weg zu bleiben. Im Inneren war das Wasser sogleich ruhig und strömungsfrei. In dieser Bucht lagen viele Holzflöße vorbereitet zum weiteren Transport.
Die Ausfahrt aus der Menzien Bay war bei ruhigem Wasser, da wir diesmal genauer auf die Gezeitenströme achteten.
In Mitten unseres Weges nach Vancouver kamen wir noch bei den kleinen Metlenatch Islands vorbei. Wir ankerten außerhalb, da es absolut windstill und das Wasser, wie so oft in den letzten Tagen, spiegelglatt war. Mit unserem Beiboot fuhren wir zum Ufer, wo wir auf einem der herausragenden Felsen einige große Seelöwen Bullen beobachten und auch riechen konnten. Diese Herren ließen sich von uns kaum stören und reagierten auch nicht, als wir uns deren Harem auf der Hauptinsel näherten.
Wir entschieden uns, auch noch einen Landgang zu machen und die Ranger hier in diesem Naturschutzgebiet zu besuchen. Die Inseln sind während der Brutzeit von Millionen von Vögeln bevölkert. Nachdem wir uns Helen, Barb, Chris und Rod vorstellten und kurz unsere Reiseroute schilderten, wurden wir von Helen nach altem Seemannsbrauch sogleich auf Bier und Wein eingeladen. Der Seemannsbrauch – so wurde uns von Helen erklärt – besagt, wenn du Kap Hornier triffst, lade sie zu Bier und Wein ein. Künftig werden wir viel öfter erwähnen, dass wir rund Kap Horn gesegelt sind!
Nachdem es dann schon fast finster war, verließen wir diese gastfreundliche Insel und machten uns wieder an den Seelöwen vorbei zu unserer Delphin. Auch die Nacht über hielt das ruhige Wetter an.
Bevor wir in Vancouver ankamen, hatten wir noch das Glück einige Wale springen zu sehen. Zwei dieser Wale zogen direkt vor unserem Bug vorbei. Phantastisch!
Am 15.09. sahen wir in der Ferne aus dem Dunst aufsteigen die ersten Wolkenkratzer von Vancouver. Unser Ziel war die Deep Cove in Nord Vancouver, und zwar deshalb, da wir hier Kate treffen würden. Kate lernten wir in Wakayama in Japan kennen, da sie ihre Freunde Brad und Tamara auf deren Segelboot Suuhaa besuchte. Sie lud uns ein, sie in Vancouver zu besuchen, was wir nun taten.
Kate stellte uns anderntags ihr Auto zur Verfügung, da sie Vancouver für eine Woche verließ. Das war natürlich großartig für uns. So konnten wir uns ein wenig in der Umgebung umsehen und besuchten u.a. Whistler Mountain, ehemaliger Winter-Olympia.- und jährlicher Skiweltcuport.
Einen Besuch nach Vancouver Downtown unternahmen wir ebenfalls. Vancouver, wie nicht anders zu erwarten, ist eine moderne Stadt mit toller Skyline; Hochhäuser, deren Glasflächen herrlich im Sonnenlicht spieglen. Wir saßen auf einer Restaurantterrasse und blickten auf die dort ankernden Yachten. Bald werden auch wir hier liegen mit unserer Delphin...
Am Abend vor Ernsts Abreise waren wir bei Maurrey, Kate's Exmann, zum Essen eingeladen. Es gab ein sehr schmackhaftes Lachsgericht und wir verbrachten einen netten Abend.
Am 19.09. brachten wir Ernst noch zum Flughafen nach Vancouver und hoffen, uns bald wieder zu sehen. Wir hatten während unserer gemeinsamen Fahrt für diese Jahreszeit und dieses Revier ungewöhnliches Wetterglück mit vielen, vielen Sonnenstunden, tolle Erlebnisse mit dem Wildlife zu Land und Wasser sowie viel Spaß zusammen. Ernst hat uns mit vielen seiner nicht nachkochbaren Gerichten, die er allgemein mit 'Schlanguri' bezeichnet verwöhnt und ist auch immer wieder am Steuer gestanden. Es waren schöne Wochen.
Morgen, werden wir wieder am Flughafen stehen, um Marcus, einen guten Freund und mit der Delphin bereits bestens vertraut sowie Erichs Bruder Walter, zu begrüßen. Davon mehr im nächsten Bericht.